Die Kunst des optimalen Kompromisses
Wie verpackt man am besten Natur- und Biokosmetik?
Ihr könnt euch nicht vorstellen wie viele Monate mich diese Frage umgetrieben hat. Die Tutaonana Bio Kinder Gesichtscreme ist mein Lebenstraum. Alles sollte perfekt sein: Inhaltsstoffe, Grafik, Webauftritt. Tja und dann kam die Entscheidung, wie eine Bio Kinder Gesichtscreme am besten verpackt sein sollte? Das hat mich wirklich umgetrieben ...
Die Frage klingt harmlos und dennoch öffnet sich dahinter ein ganzer Kosmos an Fragen. Was ist „am besten“? Der beste Schutz für den Inhalt? Oder bedeutet es am Nachhaltigsten?
Dann wäre das Vermeiden jeglicher Verpackung sicherlich das Ziel und wir würden zu Hause wieder schmelzen, rühren, mischen und in Schraubgläser füllen. Tägliches Vorsichtsschnuppern und schneller Verbrauch sind dann inklusive. Wer das nicht möchte, kauft fertige Produkte. Zurecht wägt der kritische Kunde dann ab. Was ist drin, wie ist es verpackt und spricht mich diese Hautpflege an?
Und schon stecken wir tief im Dilemma eines jeden Bio- & Naturkosmetik Herstellers, mein Dilemma. Denn besonders in dieser Branche knirscht es ständig zwischen Marketing- und ökologische Interessen.
Warum?
Die Story
Das Produkt soll beim Betrachten eine Geschichte erzählen und wertig sein. Das ist allerdings eine Herausforderung, wenn man sich bewusst gegen eine Umverpackung entschieden hat. Dafür bleibt dann nur ein kleines Etikett. Dabei steckt doch soviel dahinter!
Die Konservierung
Je natürlicher und unbehandelter die Zutaten, umso empfindlicher und schützenswerter der Inhalt. Dennoch ist es mir wichtig, dass meine Kindercreme nur minimal konserviert wird. Das führte mich unweigerlich zu Airless Verpackungen. Denn jeder Lufteintrag durch ein normales Pumpsystem fördert die Verkeimung und jeder Finger im Cremetopf ebenfalls.
Airless gibt es mit Beutel in einer stabilen Kunststoff- oder Glasflasche oder mit einem Schleppkolbensystem. Beides benötigt einen gewissen Materialeinsatz. Das ist zwar nicht ideal, aber notwendig, wie ich finde.
Das Material
Also habe ich meinen Blick auf das Material der Primärverpackung gerichtet. Hier stelltesich grundsätzlich die Gretchenfrage. Umweltfreundlich bei der Herstellung oder der Entsorgung? Beides, denkt ihr. Dachte ich auch. Geht aber nicht.
Glas kam für mich bei Tutaonana Biokosmetik nicht in Frage, weil eine Bio Kinder Gesichtscreme im zerbrechlichen Spender den meisten Eltern sowie dem Badezimmerboden keine Freude macht. Alu auch nicht, wenn ich an die Aluminium-in-Deo-Diskussion denke. Also doch Kunststoff.
Ja, es gibt bereits Biokunststoff. Auch in Airlessspendern. Aber das Grundmaterial kommt immer noch überwiegend aus Brasilien. Der CO2 Fußabdruck durch den Transport, die Frage, ob das Zuckerrohr dort auch „bio“ angebaut wird und ob die landwirtschaftliche Fläche dort nicht doch eher für Nahrungsmittel verwendet werden sollte, haben mich schnell Abstand nehmen lassen von dieser Idee.
Kein Problem, dann guckte ich eben nach einer Variante aus PCR, also recyceltem Kunststoff. Ich habe lange gesucht, sehr lange! Euphorisch erhielte ich Prototypen, die immerhin einen gewissen PCR Anteil hatten.
Eine 100 % PCR Lösung war technisch nicht machbar oder ich erfuhr, dass ein bestimmtes Risiko der Migration ungewünschter Stoffe aus dem vorherigen Inhalt oder der Druckfarbe in die Creme besteht. Undenkbar!
Als kleines Startup war mir diese Unsicherheit zu groß. Kurz und gut, ich fand einen Hersteller im Schwarzwald mit einem Airless Spender mit 76 % Anteil an recyceltem Kunststoff. Als es an die Produktion ging, war kein PCR mehr verfügbar. Ein großer Konzern hatte sich eingedeckt.
Die Entsorgung
Dann also so umweltfreundlich wie möglich entsorgen. Ich lernte, dass Biokunststoffe nur industriell recycelt werden können. Es gibt aber wenige Entsorger, die sich über das Fläschchen im Biomüll freuen und es verarbeiten können. Landet es in der Gelben Tonne, wird es verbrannt oder besser gesagt „thermisch verwertet“.
„Vollständig recyclefähig“ ist bei PE/PP wiederum zum Glück gut umsetzbar. Also sprach ich mit Fachleuten über Monomaterialien, Zukunftsaussichten im Bereich des chemischen Recycling und entschied mich dann für einen reinen PE / PP Airless-Spender. Ohne Metall-, sondern mit Kunststofffeder, ließ ihn bewusst nicht bedrucken, sondern mit einem umweltfreundlich gedrucktem Folienetikett aus 87% PP Recyclat bekleben. Maximale Recyclingfähigkeit ist dadurch gegeben. Für mich ist es der bestmögliche Kompromiss.
Fazit
Wenn ich heute eine Naturkosmetikprodukt mit Holzdeckel und eingeklebter Kunststoff-Schraubhülse entdecke, dann grinst meine innere Marketingseele teils verständnisvoll teils neidisch, während sich mein ökologisches Gewissen aufplustert.